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Fälle aus
der Praxis.

Spannende Rechtsfälle aus unserer täglichen Praxis:

Untersteht ein Lebensmittelproduzent
dem Bankgesetz?

#1 Finanzmarktaufsichtsrecht

Der Sachverhalt

Unsere in der Schweiz domizilierte Kundin vermarktet seit mehreren Jahren hochwertige Lebensmittel als Sachwert, deren Raffinesse und Qualität insbesondere durch klimatisch besondere Lagerungsorte noch gesteigert wird. Im Kaufpreis der Lebensmittel inbegriffen sind die fachgerechte Lagerung sowie ein Helikopterflug zum Lagerungsort. Nach Ablauf der Lagerdauer hat der Käufer folgende drei Optionen: a) seinen Sachwert nochmals einen bestimmten Zeitraum lagern und reifen zu lassen, b) den Sachwert an sich ausliefern zu lassen, oder c) diesen zu verkaufen.  Beim Verkauf unterstützt unsere Kundin nach bestem Wissen. 

Im Frühjahr 2015 geriet unsere Kundin aus bis heute von der FINMA nicht offengelegten Gründen in den Fokus der FINMA. Es folgte ein formloses Abklärungsverfahren mit den üblichen Fragebögen zum Geschäftsmodell unserer Kundin und es wurde ein Augenschein am Lagerungsort der Sachwerte durchgeführt. Kurz nach dem Augenschein eröffnete die FINMA gegen unsere Kundin wegen des Verdachts der gewerbsmässigen Entgegennahme von Publikumseinlagen ein Enforcementverfahren. Mit superprovisorischer Verfügung setzte sie einen Untersuchungsbeauftragten mit Organstellung bei der Gesellschaft ein und ordnete zugleich die Sperrung sämtlicher Konten an. Mit provisorischer Verfügung bestätigte die FINMA die in der superprovisorischen Verfügung angeordneten, sichernden Massnahmen vollumfänglich und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Mit einer abschliessenden Verfügung hat die FINMA  10 Monate später gegenüber unserer Kundin festgestellt, dass sie ohne Bewilligung gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegengenommen und damit aufsichtsrechtliche Bestimmungen (BankG) schwer verletzt habe und ordnete u.a. ihre Liquidation an.

Die FINMA begründete ihre Verfügungen  im Wesentlichen mit folgenden Argumenten: Im Vordergrund beim Kauf der Sachwerte stehe nicht deren Genuss, sondern eine Investition. Nach Auffassung der FINMA sei zudem ein verkapptes Darlehensgeschäft gegeben, mithin gebe es nämlich eine Rückzahlungsverpflichtung. Schlussendlich seien die Sachwerte ungenügend und/oder widersprüchlich individualisiert. Folglich habe keine Eigentumsverschaffung zugunsten des Käufers stattfinden können. 

Im Ergebnis ging die FINMA davon aus, dass es vorliegend – ähnlich wie im BGer 2C_352/2016 vom 9. Dezember 2016 – um eine Umgehung bzw. missbräuchliche Berufung auf den Ausnahmetatbestand von Art. 5 Abs. 3 Bst. a BankV durch eine zivilrechtlich fragwürdige Rechtsgestaltung gehe. Folglich habe unsere Kundin gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegengenommen, ohne die hierfür erforderliche Bewilligung zu besitzen.

Unsere Position

Unser Anwalt und Partner RA Dr. iur. Christoph Good durfte in dem Verfahren verschiedene Beschwerden führen, u.a. gegen die abschliessende Verfügung der FINMA. Die Beschwerde war vor Bundesverwaltungsgericht einzureichen. Im Wesentlichen haben wir dabei das Vorliegen von Anhaltspunkten, welche für eine bewilligungspflichtige Tätigkeit sprechen, bestritten. Nach unserer Ansicht hatte die FINMA die von unserer Kundin genutzten Verträge grob falsch qualifiziert. Zudem war der Sachverhalt falsch festgestellt worden: Entgegen der Auffassung der FINMA gab es keine ungenügende bzw. widersprüchliche Individualisierung der Sachwerte; vielmehr waren diese rechtlich korrekt ins Eigentum der Kunden übergegangen. Des Weiteren wehrten wir uns gegen die Behauptung, es gebe eine Rückzahlungsverpflichtung. Und unsere Kundin machte eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots geltend, zumal die Vorinstanz gegen gleiche Geschäftsmodelle wie etwa die Subskriptionsangebote von Weinhändlern nicht gleich wie bei unserer Kundin vorgegangen sei.

Urteil Bundesverwaltungsgericht

Das Bundesverwaltungsgericht beginnt seine Erwägungen mit der Wiedergabe der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Abgrenzung zwischen Sachwerten und Publikumseinlagen. Demnach ist für die Abgrenzung von Einlagen und Verträgen auf Eigentumsübertragung der gewollte Vertragszweck massgeblich, nicht etwa die Bezeichnung des Vertrags bzw. der Geldflüsse durch die Beteiligten (vgl. auch Urteil des BVGer B-8227/2007 vom 20. März 2009 E. 5.2; Urteil des BGer 2A.575/2004 vom 13. April 2005 E. 5.2.1 f. ). Entspricht der Vertragszweck in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung einem Einlagegeschäft, so ist die Geldleistung als Einlage zu qualifizieren: Es widerspräche dem Gläubigerschutz, könnten sich Unternehmen durch konstruierte zivilrechtliche Rechtsgestaltungen den aufsichtsrechtlichen Vorschriften entziehen. Für das Vorliegen einer Publikumseinlage und die Bejahung der Unterstellungspflicht ist jedoch die Rückzahlungsverpflichtung für die empfangene Leistung von zentraler Bedeutung. Entscheidend ist demnach, dass die Vertragsparteien schon mit dem Abschluss des Vertrages den späteren Rückkauf des Kaufgegenstands vereinbarten. Fehlt einem Geschäftsmodell das tragende Element der Rückzahlungsverpflichtung, liegt keine Publikumseinlage vor, womit es auch keine Umgehung aufsichtsrechtlicher Vorschriften geben kann.

So kommt denn das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall zum Schluss, dass sich weder den Ausführungen im Untersuchungsbericht noch der Dokumentation, auf welche sich die FINMA für ihre Begründung in der angefochtenen Verfügung stützt – insbesondere das ausgestellte Zertifikat und die genannten Werbeprospekte –, Anhaltspunkte entnehmen lassen, wonach sich unsere Kundin primär zur Rückzahlung der Einlage vertraglich verpflichtet hat. 

Auch die in den verschiedenen Internetauftritten verwendeten Begriffe wie Kapitalanlage, Rendite, Wertsteigerung sowie Investment können höchstens den Schluss nahelegen, dass unsere Kundin für ihr Produkt im Sinne einer Investitionsmöglichkeit geworben hat, sie vermögen aber keine Aufschlüsse auf eine primäre Rückzahlungsverpflichtung zu geben. Auch die von der FINMA ins Feld geführten Argumente, wonach die Kunden keinen unmittelbaren Besitz an der Kaufsache erlangen würden, erweisen sich insofern als untauglich, als sie für sich allein genommen keine Hinweise auf eine Rückzahlungsverpflichtung beinhalten.

Entgegen der Meinung der FINMA stellt sodann die im Zertifikat vorgesehene Rückerstattung des Kaufpreises einschliesslich Verzinsung von 5% p.a. im Fall eines Mangels ein typisches Beispiel für das kaufvertragliche Rückabwicklungsverhältnis nach erfolgreicher Wandlungserklärung (Art. 208 Abs. 2 OR) dar, was offensichtlich auf eine sekundäre Leistungspflicht hindeutet und nicht unter den Einlagebegriff fällt. Ähnliches gilt für die im Zertifikat vorgesehene Option, das Eichenfass nach der Mindestlagerdauer von fünf Jahren durch unsere Kundin zugunsten des Zertifikatsinhabers veräussern zu lassen. Auch in diesem Fall sind keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer primären Leistungspflicht im Sinne einer Rückzahlungsverpflichtung ersichtlich.

Im Ergebnis geht die FINMA gemäss Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im konkreten Fall unzutreffend von einer missbräuchlichen Anrufung der Ausnahmebestimmung von Art. 5 Abs. 3 Bst. a BankV aus. Das Gericht schützte folglich unsere Beschwerde und hob die Verfügung der FINMA auf. 

Was lernen wir daraus?

Zusammenfassend liefert der vorliegende Entscheid wichtige Präzisierungen im Hinblick auf die Bestimmung des aufsichtsrechtlich relevanten Einlagebegriffs.

Die Subsumption unter den Einlagebegriff setzt praxisgemäss die wirtschaftlich im Vordergrund stehende – aus Sicht des Investors unbedingt bestehende – Rückzahlungsverpflichtung der getätigten Investition zentral voraus. Indem die FINMA versucht, aus der Kumulation vieler sekundärer Leistungspflichten bzw. für sich allein nicht massgeblichen Elementen eine primäre Rückzahlungsverpflichtung zu konstruieren, unterläuft sie die geltende Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Qualifikation des Einlagebegriffs.

Für Rechtsanwalt Dr. iur. Christoph Good, der den Fall mit unserer Kundin zusammen führte, war entscheidend, dass die Kundin sehr kooperativ mit dem Anwaltsteam zusammen gearbeitet hat. So konnte man gemeinsam den Sachverhalt so aufarbeiten, dass der Fall schlussendlich gewonnen werden konnte.

Sachwert vs. unbewilligte Entgegennahme von Publikumseinlagen [BVerwG, B-4354/2016, Urteil vom 30. November 2017]